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  • AutorenbildGizem Bulut

Die Zukunft gestalten: Das UN-Plastikabkommen und sein Weg zur Realisierung


Die Flagge der UN vor blauem Himmel.
Inmitten der globalen Herausforderung der Kunststoffverschmutzung agieren die Vereinten Nationen als zentrale Schaltstelle, um eine internationale Koalition zur Aushandlung eines verbindlichen Abkommens zu formieren, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen neu gestaltet.

Die wachsende Sorge um die Umwelt hat in den letzten Jahren viele von uns dazu veranlasst, unser Augenmerk auf eines der drängendsten Probleme unserer Zeit zu richten: die Plastikverschmutzung. In diesem Zusammenhang hat die Staatengemeinschaft unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eine Initiative ins Leben gerufen, die darauf abzielt, durch ein globales Plastikabkommen die Herausforderungen an der Wurzel zu packen. Diese Bemühungen mündeten in das historische UN-Plastikabkommen, das die gesamte Wertschöpfungskette von Kunststoffen – von der Herstellung bis zur Entsorgung – berücksichtigt und Wege aufzeigen soll, Plastikverschmutzung effektiv zu reduzieren.


Was ist das UN-Plastikabkommen?

Das UN-Plastikabkommen ("Plastics Treaty"), offiziell bekannt als das Plastikvertragsmandat, ist eine Initiative, die von 175 Nationen unterstützt wird. Sie zielt darauf ab, bis 2024 ein weltweit verbindliches Abkommen zu entwickeln, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen umfasst – von der Produktion über das Produktdesign bis hin zur Abfallwirtschaft. Dieser ganzheitliche Ansatz bietet die Möglichkeit, Abfall bereits in der Entwurfsphase zu vermeiden und greift somit nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen der Kunststoffverschmutzung auf. Im Kern des UN-Plastikabkommens steht der Wunsch, eine Veränderung in unserer Beziehung zu Kunststoffen zu schaffen. Dieses Bestreben kommt zu einer Zeit, in der die globale Kunststoffproduktion die Marke von 400 Millionen Tonnen pro Jahr übersteigt – eine Zahl, die ohne Intervention voraussichtlich weiter ansteigen wird. Das Abkommen hat das Potential, eine globale Strategie zu formen, die diesen Trend umkehrt und dabei hilft, die Welt auf einen nachhaltigeren Pfad zu lenken.


Die Rolle des INC

Die Ausarbeitung dieses Abkommens liegt in den Händen eines zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC), der von dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) geleitet wird. INC steht für die englische Bezeichnung "Intergovernmental Negotiating Committee". Dies ist die Bezeichnung für die Gruppe, die eingesetzt wird, um bestimmte Themen zu verhandeln und in diesem Kontext spezifisch für das UN-Plastikabkommen, um ein international bindendes Abkommen zur Bekämpfung der Kunststoffverschmutzung auszuarbeiten. Die Aufgabe des INC besteht darin, die Diskussionen zu koordinieren und Beiträge der Mitgliedstaaten zu sammeln. Mit dem Ziel, die Verhandlungen bis Ende 2024 abzuschließen, ist das ein ambitioniertes Unterfangen, das ein hohes Maß an internationaler Zusammenarbeit und Engagement erfordert.


Ziele des Abkommens

Im Kern geht es darum, die Kunststoffverschmutzung signifikant zu reduzieren. Das umfasst die Verschmutzung der Ozeane, die Problematik des Mikroplastiks und das breite Feld der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe. Die bei der UN-Umweltversammlung in Nairobi verabschiedete Resolution ist ein bedeutsamer Schritt, um diese Ziele zu erreichen und eine internationale Verbindlichkeit zu schaffen. Ein Schlüsselaspekt der bevorstehenden Verhandlungen wird sein, einen globalen Konsens darüber zu erzielen, wie die Kunststoffverschmutzung am effektivsten reduziert werden kann, ohne dabei den Fortschritt der Entwicklungs- und Schwellenländer zu behindern. Die internationale Gemeinschaft steht vor der Aufgabe, einen fairen und gerechten Plan zu erstellen, der sowohl entwickelte als auch weniger entwickelte Nationen berücksichtigt.


Die Festlegung klarer, messbarer Ziele und die Schaffung von Mechanismen zur Überwachung und Berichterstattung werden entscheidend sein, um die Fortschritte zu verfolgen und sicherzustellen, dass die Ziele erreicht werden. Diese Mechanismen müssen transparent und für alle Beteiligten zugänglich sein, um eine breite Akzeptanz und Umsetzung des Abkommens zu gewährleisten.


Inhalte der Verhandlungen und erste Ergebnisse

Die Verhandlungen behandeln verschiedene Aspekte, die in einem Optionspapier festgehalten sind. Dabei geht es um mögliche Verpflichtungen, die sowohl rechtsverbindliche als auch freiwillige Maßnahmen umfassen. Leider zeigten die bisherigen Verhandlungen – speziell die zweite Sitzung, bekannt als INC-2 – nur begrenzte Fortschritte. Es gab zwar positive Ansätze, wie die Forderungen nach globalen Reduktionszielen und die Anerkennung des Rechts auf eine saubere Umwelt, doch wurden auch Bedenken geäußert, insbesondere in Bezug auf den Einfluss der Industrie und den Fokus auf Recycling als primäre Lösung.


Die Herausforderungen, die bei den bisherigen Verhandlungen offengelegt wurden, spiegeln die Komplexität des Themas wider. Die Diskussionen umfassen nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Dimensionen, die auch als Triple-Bottom-Line bezeichnet wird. Es gilt, eine feine Balance zwischen der Reduzierung von Kunststoffabfällen und der Gewährleistung wirtschaftlicher Stabilität für die Branchen und Arbeitnehmenden, die von der Kunststoffproduktion abhängen, zu finden.


Ein ermutigender Aspekt ist die breite Anerkennung, dass eine Verringerung der Kunststoffverschmutzung unerlässlich ist. Der Schutz der Ozeane, die Reduzierung von Mikroplastik und die Vermeidung von Kunststoffabfällen sind Ziele, die alle Länder teilen. Trotzdem bleibt die Frage offen, wie diese Ziele erreicht werden können und welche Rolle verschiedene Nationen und die Industrie dabei spielen.


Die Forderung nach Transparenz und die Einbeziehung von Umweltschutzstandards in nationale Aktionspläne stellen einen weiteren wichtigen Schritt dar. Sie gewährleisten, dass jedes Land seinen Beitrag leistet und dass die internationalen Vorgaben auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden.


Der "Zero Draft" des UN-Plastikabkommens ist ein Ausgangspunkt für Diskussionen und Änderungen vor den Verhandlungen im November (INC-3). Er beinhaltet verschiedene Optionen für die Vertragsbestandteile, die sich auf den Lebenszyklus von Kunststoffen konzentrieren, einschließlich Chemikalien und Polymeren, die als bedenklich eingestuft werden. Es gibt drei Hauptoptionen:

  1. Strikte Begrenzungen, die Länder dazu verpflichten, den Einsatz bedenklicher Chemikalien und Polymere in der Kunststoffproduktion nicht zuzulassen und zu eliminieren.

  2. Eine weniger strenge Vorgabe, die den Einsatz dieser Stoffe minimieren soll.

  3. Die geringste Bindungswirkung, indem es den einzelnen Nationen überlassen wird, entsprechende Vorschriften in nationalen Aktionsplänen zu regeln.

Die Wirksamkeit dieser Optionen hängt von der Definition und den Kriterien für bedenkliche Chemikalien und Polymere ab, die zur Politikgestaltung herangezogen werden​.


Technologische Lösungen und die Rolle der Künstlichen Intelligenz

In der Auseinandersetzung mit der Plastikverschmutzung könnten technologische Lösungen eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise werden Müllsammelboote und fortgeschrittene Wasserreinigungstechnologien vorgeschlagen, um Mikroplastik aus Gewässern zu entfernen. Doch auch hier ist es essentiell, dass solche Technologien im Rahmen eines umfassenden Ansatzes eingebettet sind, der Gesetzgebung, Finanzierung und Bildung einschließt.


Hier kommt auch die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. KI kann zur Überwachung und Analyse von Verschmutzungsgraden beitragen, Muster in der Abfallverteilung in der Umwelt sowie in der Abfallentsorgung erkennen und Optimierungsmöglichkeiten für Recyclingprozesse identifizieren. So könnten Algorithmen, wie die, die wir bei PlasticObs+ einsetzen, beispielsweise dabei helfen, die effizienteste Sammlung und Verarbeitung von Kunststoffabfällen zu planen. Es ist jedoch entscheidend, dass auch solche Lösungen in eine umfassende Strategie eingebettet werden, die auch die Verringerung der Produktion und den Verbrauch von Einwegplastik einbezieht. Während Recycling und Abfallmanagement unverzichtbare Bestandteile eines nachhaltigen Umgangs mit Kunststoffen sind, ist die Reduktion an der Quelle der wirkungsvollste Schritt, um die Umweltbelastung zu minimieren.


Blick in die Zukunft

Die weiteren Verhandlungen des INC sind für November 2023 in Nairobi und für April und Oktober/November 2024 in Kanada und Korea geplant. Hier wird es darum gehen, die aktuellen Herausforderungen zu überwinden und das Abkommen mit Leben zu füllen – es geht nicht nur um das Festlegen von Richtlinien, sondern darum, diese auch umsetzbar zu gestalten. Wichtige Themen werden dabei die Finanzierung des Abfallmanagements in Entwicklungs- und Schwellenländern, der Transfer von umweltfreundlichen Technologien und die Unterstützung von Bildungs- und Sensibilisierungsprogrammen sein.


Die nächsten Jahre sind entscheidend, um die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der Kunststoffe keinen schädlichen Einfluss mehr auf unsere Umwelt haben. Mit Hoffnung blicken die Teilnehmenden der INC-Verhandlungen auf die Möglichkeit, einen Wandel herbeizuführen, der zukünftige Generationen vor den Folgen der weiter fortschreitenden Kunststoffverschmutzung bewahren kann. Jeder Fortschritt in diesen Verhandlungen ist ein Schritt in Richtung einer saubereren und nachhaltigeren Welt.


Mit den bevorstehenden Verhandlungsrunden INC-3, INC-4 und INC-5 besteht die Hoffnung, dass letztlich ein Vertrag erarbeitet wird, der eine echte Veränderung herbeiführt. Der „Zero Draft“ des Abkommens bildet eine solide Basis für weitere Diskussionen und zeigt, dass trotz unterschiedlicher Ansichten und Interessen, ein gemeinsames Ziel vor Augen steht: die Plastikverschmutzung auf unserem Planeten drastisch zu reduzieren.

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